Ich bin sicher keine Freundin eines hemmungslosen Gewinnstrebens und ich sehe sehr wohl, dass es auch diskussions- und kritikwürdige Auswüchse gibt, aber manchmal frage ich mich schon, was das ewige „Pharmabashing“ soll. Ein aktuelles Beispiel finden wir hier zum Thema „Sovaldi“.
Ein hochrangiger Vertreter der Kassen beschwert sich laut Artikel darüber, dass ein Medikament, das 100 Euro in der Produktion kostet, für ein Vielfaches des Preises verkauft wird. Selbst, wenn wir die Kosten für Forschung & Entwicklung, die immens sind, einmal nicht berücksichtigen: hat er da nicht etwas „vergessen“?
Da wird ein neues Medikament auf den Markt gebracht, das im wahrsten Sinne des Wortes einen Durchbruch in der Behandlung der Hepatitis C darstellt. Im Gegensatz zur bisherigen Behandlung bewirkt dieses Medikament, wenn es drei Monate verabreicht wird, für über 90% der Betroffenen tatsächlich eine Heilung – und das Ganze auch noch mit wenigen Nebenwirkungen.
Die bisherige Behandlung war ebenfalls sehr teuer und ausserdem so nebenwirkungsreich, dass viele die Therapie nicht durchgehalten haben. Nur ein Bruchteil der Patienten konnte damit tatsächlich geheilt werden – sie blieben dauerhaft therapiebedürftig mit zunehmender Verschlechterung und immer höheren Krankheitskosten. Diese Kosten werden in Zukunft nicht mehr anfallen. Sollten wir das nicht in die Rechnung einbeziehen?
Wenn die Patienten geheilt werden, bekommen sie keine Leberzirrhose mehr, die Wartelisten für Lebertransplantationen werden kleiner und es fallen weniger Transplantationen an. Hat der Krankenkassenvertreter das nicht bequemer Weise „vergessen“?
Die Geheilten können wieder normal am Arbeitsleben teilnehmen, werden unabhängig von sozialen Leistungen und zahlen wieder Krankenkassenbeiträge. Die Zuflüsse auf der Einnahmenseite gehören ebenfalls in die Rechnung, oder?
Sie tragen durch ihre Arbeit zum Erfolg ihres Arbeitgebers bei, sichern damit weitere Zuflüsse in Form von Steuergeldern und Sozialabgaben und helfen, Arbeitsplätze zu sichern. Wo bleibt die Einberechnung des Nutzens für die Volkswirtschaft?
Abgesehen vom Zuwachs an Lebensqualität für die ehemals Erkrankten und ihre Familien.
Da sollen 60.000 Euro für eine erfolgreiche Behandlung zu viel sein? Da möchte man am liebsten nur ein paar Cent pro Dosis für die Herstellungskosten zahlen und diffamiert das Unternehmen, das dieses Medikament produziert? Seit wann bestimmen denn die reinen Herstellungs- und Materialkosten den Wert eines Produktes? Oder anders gefragt: Wenn das Unternehmen, das diesen Wert produziert, nicht davon profitieren soll — wer möchte denn dann den Mehrwert, der ja existiert, für sich beanspruchen — wohlgemerkt natürlich, ohne vorher in die Entwicklung investiert zu haben?
Angemessen wäre es, diesen Durchbruch in der Therapie der Hepatitis C zu feiern. Und nein, ich glaube nicht, dass 60.000 Euro für die erfolgreiche Behandlung in diesem Fall zu viel sind. Pharmabashing ist in diesem Fall unangemessen.
Die Argumentation, die suggeriert, dass die Produktionskosten pro Pille als Grundlage für den Preis dienen sollte, ist eines hochrangigen Krankenkassenvertreters unwürdig. Natürlich kennt er die Zusammenhänge. Dass er trotzdem so undifferenziert und polemisch argumentiert ist ein politisches Problem. Und das politische Problem ist in diesem Fall nicht das Gewinnstreben des Pharmaunternehmens!